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Grußwort bei der Vollversammlung der Österreichischen Bischofskonferenz (Stift Michaelbeuern, 9.11.2022)


Eminenz, lieber Herr Kardinal,
Exzellenz, lieber Herr Vorsitzender,
liebe hochwürdigste Mitglieder der Österreichischen Bischofskonferenz!

Sehr herzlich möchte ich mich bei Ihnen wieder für die freundliche Einladung zur Herbstvollversammlung der Österreichischen Bischofskonferenz bedanken, die diesmal hier in der Abtei Michaelbeuern, einem der ältesten Klöster Österreichs, stattfindet und der ich heute gerne gefolgt bin. Wie immer darf ich wieder die Grüße und den Dank des Heiligen Vaters Franziskus überbringen.

In diesen Tagen ist es sechszig Jahre her, dass der heilige Papst Johannes XXIII. am 11. Oktober 1962 das zweite vatikanische Konzil eröffnet hat.

Aus diesem Anlass möchte ich mit Ihnen gerne einige Überlegungen teilen, die Papst Franziskus in einer Predigt zum Jahrestag der Konzilseröffnung angestellt hat und die, wie ich glaube, auch für unseren Dienst als Hirten und Bischöfe von großer Bedeutung sind.

1. Gott zuerst


Der Heilige Vater sagt: "Entdecken wir das Konzil neu, um Gott den Vorrang zurückzugeben, und dem, was wesentlich ist: einer Kirche, die verrückt ist vor Liebe zu ihrem Herrn und zu allen Menschen, die von ihm geliebt sind; einer Kirche, die reich an Jesus und arm an Mitteln ist; einer Kirche, die frei und befreiend ist. Das Konzil weist der Kirche diesen Weg: Es bringt sie dazu, wie Petrus im Evangelium nach Galiläa zurückzukehren, zum Quell ihrer ersten Liebe, um in ihrer Armut die Heiligkeit Gottes wiederzuentdecken" (Papst Franziskus, Predigt, 11. Oktober 2022).

Was die Menschen - oft ohne es sich einzugestehen - suchen, ist Gott. Nach der Einschätzung des Heiligen Vaters war es dieser Vorrang Gottes, den das Zweite Vatikanum der Kirche und durch sie der ganzen Welt neu zeigen und bewusst machen wollte. Auch die Bischofssynode hat nicht sich selbst zum Ziel, sondern die Welt, der durch eine synodale Kirche GOTT neu bewusst gemacht und verkündet werden soll: Wir verkündigen nämlich nicht uns selbst, sondern Jesus Christus als den Herrn, uns aber als eure Knecht um Jesu willen" (2 Kor 4,5).

Inmitten aller noch so wichtigen Fragen und Überlegungen zu Struktur und Organisation, dürfen wir das nie aus den Augen verlieren: Was die Welt sucht, was die Menschen in der Kirche suchen, ist JESUS - eine Kirche, die reich an Jesus und arm an Mitteln ist" (Franziskus, ebd.), wie sich der Papst ausgedrückt hat.

2. Ganz bei Gott und ganz bei den Menschen


In seiner Predigt zum Jahrestag der Konzilseröffnung hat der Heilige Vater über die Worte des Auferstandenen an Petrus am See von Tiberias gesprochen. Und er hat darauf aufmerksam gemacht, dass dem Fischer Petrus mit dem Wort " Weide!"  eine neue Aufgabe, die des Hirten, anvertraut wird. Der Fischer schaut von oben auf das Wasser, und dieser Blick von oben ist und bleibt wichtig, wie der Papst erklärt: Das ist der erste Blick, mit dem man auf die Kirche schauen muss, der Blick von oben. Ja, die Kirche muss zuerst von oben betrachtet werden, mit Gottes liebenden Augen. Fragen wir uns, ob wir in der Kirche von Gott ausgehen, von seinem liebenden Blick auf uns. Es besteht immer die Versuchung, dass wir vom eigenen Ich statt von Gott ausgehen, dass wir unsere Ziele über das Evangelium stellen, uns vom Wind der Weltlichkeit mitreißen lassen und den Moden der Zeit hinterherjagen, dass wir die Gegenwart ablehnen, die uns die Vorsehung schenkt, und uns nach der Vergangenheit umwenden" (ebd.).

Aber zusätzlich zu diesem Blick von oben lehrt der Herr den Petrus nun noch einen anderen Blick: Petrus war ein Fischer, der Fische fing, und Jesus hatte ihn zu einem Menschenfischer gemacht. Nun gibt er ihm einen neuen Beruf, den des Hirten, den er nie ausgeübt hatte. Und das ist ein Wendepunkt, denn während der Fischer etwas für sich selbst nimmt, etwas an sich zieht, kümmert sich der Hirte um andere, weidet er andere. Darüber hinaus lebt der Hirte mit der Herde, er nährt die Schafe und hängt an ihnen. Er steht nicht darüber, wie der Fischer, sondern mittendrin. Der Hirte geht dem Volk voraus, um den Weg zu weisen, er ist in der Mitte des Volkes, als einer von ihnen, und hinter dem Volk, um denen nahe zu sein, die etwas zurückliegen. Der Hirte steht nicht droben, wie der Fischer, sondern mittendrin. Das ist der zweite Blick, den uns das Konzil lehrt, den Blick von Mittendrin: mit den anderen in der Welt zu sein, ohne sich ihnen überlegen zu fühlen, als Diener des großen Reiches Gottes (vgl. Lumen gentium, 5); die Frohbotschaft des Evangeliums in das Leben und die Sprache der Menschen hinein zu übertragen (vgl. Sacrosanctum Concilium, 36), ihre Freuden und Hoffnungen zu teilen (vgl. Gaudium et spes, 1). Inmitten der Leute sein, nicht über dem Volk: das ist die hässliche Sünde des Klerikalismus, der die Schafe tötet, der sie nicht führt, der sie nicht wachsen lässt, sondern tötet. Wie aktuell ist doch das Konzil: Es hilft uns, der Versuchung zu widerstehen, uns in den Schutz unserer Bequemlichkeit und unserer Überzeugungen einzuschließen, um den Stil Gottes nachzuahmen, den der Prophet Ezechiel uns heute beschreibt: "Das Verlorene werde ich suchen, das Vertriebene werde ich zurückbringen, das Verletzte werde ich verbinden, das Kranke werde ich kräftigen" (vgl. Ez 34,16; ebd).

3. Die Freude als Folge der Liebe


Gott, der " die Liebe ist" (1 Joh 4,16), ist zugleich der Quell der wahren Freude. Uns daraus schlussfolgert der Papst: Die Kirche soll von Freude erfüllt sein. Wenn sie sich nicht freut, verleugnet sie sich selbst, weil sie die Liebe vergisst, die sie erschaffen hat. Doch wie vielen von uns gelingt es nicht, den Glauben freudig zu leben, ohne zu murren und herumzukritisieren? Eine Kirche, die Jesus liebt, hat keine Zeit für Auseinandersetzungen, Gift und Polemik. Gott befreie uns vom Kritisieren, von Unduldsamkeit, Härte und Wut. Das ist nicht nur eine Frage des Stils, sondern der Liebe, denn wer liebt - so sagt der Apostel Paulus - tut alles ohne Murren ". (ebd.).

Liebe Mitbrüder!

Ich denke, diese Worte des Heiligen Vaters sind auch für den Weg der Kirche in Österreich von großer Bedeutung.

Wenn nun, nach mehrmaligem Verschieben, der Besuch der österreichischen Bischöfe ad Limina Apostolorum doch noch in diesem Jahr sattfinden soll, so wird er eine hervorragende Gelegenheit sein, um in der Begegnung mit Petrus zurückzukehren zum reinen Quell der Liebe des Konzils (vgl. ebd.)

Möge Maria, die Mutter der Kirche, uns dabei helfen.

Ich danke Ihnen.