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Reflexionen über den Islam
Vortrag vor den Rittern des Heilig-Grab-Ordens, Churhaus zu St. Stephan, Wien, 26. Februar 2007
Heute reden alle vom Islam. Wer sich nicht dafür interessiert, befürchtet, als uninformiert zu gelten.
Man spricht von Muslimen und vom Islam in Verbindung mit dem Terrorismus: Man lehnt ihn entweder ab oder man verteidigt ihn. Man fragt sich: Was hat der Islam mit dem Terrorismus zu tun? Andere wehren sich, wenn sie hören, daß der Islam Terrorismus hervorbringt. Ist der Islam wirklich eine Quelle des Terrorismus? Ist die moderne Demokratie mit dem Islam vereinbar? Was ist eigentlich der Islam? Warum sprechen die Welt und besonders Europa so viel und so uninformiert vom Islam? Fühlt sich Europa vom Islam bedrängt?
Ich denke, daß diese Frage das Kernproblem in der heutigen Politik und des intellektuellen Disputs darstellt. Daher erlaube ich mir gerne, Ihnen, sehr geehrte Damen und Ritter des Heilig-Grab-Ordens, heute Abend eine ehrliche und offene Antwort auf Ihre Fragen zu geben.
1. Was ist der Islam?
Alle wissen wir, daß Islam" ein arabisches Wort ist, das auf Deutsch übersetzt Unterwerfung" bedeutet: Der Gläubige unterwirft sich Allah (Gott) und dessen Befehlen. Ursprünglich konnte man auch von Mohammedismus" sprechen. Aber heute lehnen die Muslime dieses Wort ab, denn sie empfinden es als eine Beleidigung. Mohammed hat nämlich ihrer Ansicht nach keine Religion gegründet. Er hat nur das Wort, das Allah verkündet hat, überbracht. Er ist Allahs Gesandter" (Rusuul), der eine Botschaft bringt, und diese Botschaften ehrlich und authentisch verkündet (Iqra). Sein Auftrag besteht darin, die Botschaft Allahs so zu überliefern, wie ein guter Botschafter, der die Botschaft seines Auftraggebers übermittelt. Er hat nichts zu erklären und braucht sich nicht zu rechtfertigen. Der Empfänger muß die Botschaft seinerseits treu aufnehmen und sich ehrlich an ihren Inhalt halten. Es handelt sich dabei um ein ewiges und unveränderliches Wort, das seinen Willen und seine Macht erweist: Er ist der Allmächtige, der unveränderliche (sarmad) und ewige Gott. Er verkündet die echte und einzige Wahrheit.
Die Wahrheit Gottes ist der Koran, das Buch, das ewig und ungeschaffen ist. Der Erzengel Gabriel hat Mohammed eine Kopie davon überliefert, als rechter Weg" (surat mustaqiym) für alle Menschen. La Illaha illa l'llah." Seine Lehre und Prinzipien sind auch einfach. Der Allmächtige hat alles in der Hand. Um die Gläubigen (mu'iminun) am rechten Weg führen zu können, hat er ihnen bestimmte Regeln gegeben: die fünf Pfeiler des Islam: Das Glaubensbekenntnis (Ashahadah), das fünffache Pflichtgebet (as Salaat), das Fasten (as Saum, Ramadan), die Almosen (as Sadaqah) und die Wahlfahrt nach Mekka (al-Hajj).
Bis dahin wäre auch alles schön und gut. Außer dem " al Hajj" sind auch alle anderen vier Prinzipien in der Bibel zu finden Die Regeln und Hinweise, die später an anderen Stellen des koranischen Textes hinzugefügt wurden, und der Kampf Mohammeds, um Mekka zurückzuerobern, gaben dem Islam eine klare Prägung der Gewalt, weshalb auch das Schwert und der Krieg (Dschihad) untrennbar mit der muslimischen Religion verbunden sind. Dies spielte eine große Rolle im Laufe der Geschichte. Der Dschihad ist ein Wort, das viele Bedeutungen haben kann: Einerseits versteht man darunter die einfache Bemühung, sich zu bessern und geistlich zu erneuen mit Hilfe des Gebets, mit Fasten und Almosen. Aber Dschihad kann auch eine noch größere physische und schwerere Willensanstrengung bedeuten, wie es im Hadsch, der Wallfahrt nach Mekka, zum Ausdruck kommt, bis hin zu der Pflicht, dem göttlichen Gebot zu gehorchen und Gewalt zu gebrauchen, um die muslimische Gemeinschaft der Umma (in den Augen der Muslime die beste Staatsform, die Gott je geschaffen hat, da es sich um eine politische und religiöse Einheit handelt) vor dem Bösen und Falschen zu verteidigen. Es geht auch darum, die Ungläubigen" zum Glauben zu erziehen und sie dazu zu zwingen. Der Sieg über Mekka nach dem Exil von Medina (Hagyr) und der Sieg des Islam in den ersten Jahren nach dem Tod Mohammeds haben die Überzeugung gestärkt, daß der Kampf ein Fundament der islamischen Mission darstellt. Sein Triumph hat die Welt für fast tausend Jahre beherrscht.
Es ist klar geworden, daß das Schwert - man spricht immer vom Schwert des Islam - eine Trophäe des Islam ist. Der Kalif war nicht nur Nachfolger von Mohammed, sondern ist auch ein besonderer Vertreter Allahs geworden. Er verlautet, er kommandiert, er ordnet, wie und was der Koran sagt oder sagen will. Das letzte Abbild war der ottomanische Sultan. Der Dschihad war seine Pflicht, um die Religion zu verteidigen. Der Sultan garantierte alles. Dies war die Mentalität der islamischen Welt.
Ganz anders war die Lage auswärts geworden. Die Entwicklung der Wissenschaft, der Ideen und der Revolutionen in der anderen Welt haben sich weiter entwickelt. Das Reich des Kalifen wollte sich mit ihnen messen. Die Reconquista von Spanien war der erste Schritt des Untergangs des Islam. Die Kultur, die Literatur (Bücher), die Medien (vor allem Zeitungen) und die ökonomische Macht des Westens haben dem Islam sehr geschadet.
Er fürchtete um seine Macht und glaubte, daß die Mittel, um die Situation der westlichen politischen Systeme zu überholen, darin bestehe, sie nachzuahmen. Die Türkei wollte laizistisch" werden. Die anderen Muslime, in der sogenannten arabischen Welt von Ägypten bis nach Syrien und dem Irak wollten sich modernisieren. Die verschiedenen Enttäuschungen und die Ungerechtigkeiten, insbesondere aber auch die Gründung des Staates Israel, haben in der Seele der Muslime die alte Nostalgie eines Triumphs des Islam geweckt. Sie wollten nicht mehr den politischen Behörden vertrauen. Sie mußten zur Quelle des Islam zurückkehren. Es begann in Indien, in Afghanistan, in Pakistan. Bis dann schließlich das Attentat am 11. September 2001 in New York geschah. Spätestens seit diesem Moment spricht man vom islamischen Terrorismus. Was ursprünglich ein nationales Volksbegehren war, ist schließlich zum Terrorismus geworden. Inzwischen hat die ganze Welt Angst davor.
2. Ist der Terrorismus mit dem Islam identisch?
Der franzosische Politologe, Thierry Wolton ( 4e Guerre Mondiale", Edition Grasset 2005 ) schreibt, daß die Organisation Al Quaeda " im planetarischen Nebel ( Nébuleuse ) des Terrorismus die größte NGO ist. Sie ist finanziell und organisatorisch autonom, unabhängig von allen Staaten und von allen Mächten. Das Binom Islam-Kampf übt einen mächtigen Einfluß auf viele muslimische Jugendliche aus, vor allem auf jene, die eine Ausbildung genossen haben. Allein in Frankreich seien in den letzten 20 Jahren mehr als 50.000 Leute zum Islam konvertiert, meint Wolton. Von 1100 Jugendlichen, die sich freiwillig bei den radikalsten terroristischen Bewegungen gemeldet haben, stammen 300 bis 500 von französischen Eltern ab. Im letzten Jahrzehnt haben fast alle muslimischen Länder versucht, ihre Legitimität auf den Islam zu gründen. Wolton sagt, Il est difficile d'exonérer totalement l'Islam de ses responsabilités dans le conflit actuel. " Aber Achtung: Man darf den Islam nicht mit den Muslimen gleichsetzen. Es geht um einen Glauben und eine Lehre, nicht um die Gläubigen, die Personen sind und unterschiedliche Ideen haben können.
Ein arabischer Botschafter sagte zu mir nach der ersten Ölkrise im Jahr 1973, indem er von der westlichen Welt sprach: They have ignored us, they have despised us, and now they are flattering us ". Ich selbst kann dazu sagen: " Today the western world is fearing them ". Die Welt fürchtet die Muslime. Aber sie gibt den Muslimen alles, was sie verlangen. Ohne Unterschied.
Die Terroristen glauben ehrlich, daß sie gesiegt haben, weil sie zur wahren" Lehre des Koran zurückgekehrt sind. Sie sind überzeugt, daß der Sieg der wahren Religion in der ganzen Welt gesichert ist, wenn nur alle Muslime ihren Glauben nach den Prinzipien der Shari'ah leben werden.
Heute herrscht in der ganzen arabischen und muslimischen Welt, aber auch in der ehemaligen Kriegswelt, wo der Islam neu aber stark eingekehrt ist, die radikale Wendung hin zur Salafiyah. Unter Salafiyah versteht man die Rückkehr zum Vorbild und zur Lehre der Vorgänger. Sie kämpfen, wie die frommen und weisen Meister" gekämpft haben und bekennen und praktizieren einen rigorosen Islam. Das beste Beispiel dieser neuen Bewegung ist die Al-Qaeda. Ihre Töchterorganisationen sind die Hamas in Palästina, die Hizzbollah im Libanon, die Giamaah islamiyah von Indonesien und die Takfir wa Hijra von Ägypten.
Neueste Studien des britischen Policy Exchange Instituts ergaben im Dezember 2006 bei 1003 Personen folgende Ergebnisse:
- 37 Prozent der jungen Muslime, die zwischen 16 und 24 Jahre alt sind, möchten lieber nach den Vorschriften der Shari'ah leben, hingegen antworten nur 17 Prozent der über 50-Jährigen, daß sie nach diesen Vorschriften leben wollen. Derselbe Prozentsatz der befragten muslimischen Jugendlichen in Großbritannien (im Alter von 16 bis 24) möchte ihre Kinder lieber in konfessionelle muslimische Schulen schicken.
- 74 Prozent sind dafür, daß der Schleier in der Öffentlichkeit getragen werden soll. (vgl. La Croix, 20. Jänner 2007)
Wie wäre es, wenn wir diese Fakten mit dem Prozentsatz der katholischen und christlichen Jugendlichen vergleichen wollten?
3. Was tun?
Die Globalisierung ist jetzt ein Faktum. Niemand kann sie verneinen oder leugnen. Die arabischen Länder, die versuchen, ihre Islamisten zu bremsen, geben ihren Menschen einige Freiheit. Sie wissen, daß sie ihre Städte und ihre Wirtschaft nicht in einen Bunker schließen können, selbst wenn dieser Bunker von Allah käme. Das Problem liegt eher bei den frustrierten Jugendlichen in der westlichen Welt, die in einer laizistischen Kultur erzogen wurden. Ihre Frustration über den Westen, ihr Mangel an Integrationsbereitschaft, ihre Isolation bringen sie automatisch zum Extremismus. Es ist anders, als es mit dem marxistischen und kommunistischen Idealismus war. Dieser hatte keinen Sprung in die Höhe", keine Transzendenz. Der Islam hingegen bietet Transzendenz an, er spricht von Gott, er bringt Spannung und motiviert zu einer besseren Lebensführung. Er gibt jedoch keine echte Antwort. Der Terrorismus, als eine Form der Rache verstanden, hat einige Sympathien und Verständnis hervorgerufen. Der Terrorismus kann nicht mehr ewig dauern, aber er kann schaden. Und die Geschichte lehrt: Wo der Islam geherrscht hat, dort ist Schaden geblieben (auf dem Balkan, in der Türkei, in Kleinasien, - Spanien bleibt jedoch eine Ausnahme).
Der Islam bietet, wie gesagt, einen starken Glauben, eine Transzendenz an. Unsere Zeit braucht einen neuen transzendentalen Durchbruch, sagt Alain Besançon. Weder die Gesellschaft, noch der Staat, noch die Armee, die Partei oder die Technik können dem Menschen von heute eine solche Transzendenz bieten. Nur eine übernatürliche Vision, eine geistliche Kultur können dies versichern. Eine solche Perspektive, die den Geist und den Leib zufrieden stellen kann, könnte nur die Kirche als Lehre und Patrimonium der ganzen Menschheit schenken. Die Kirche, als Mutter und Magistra. Aber leider kennt man kaum noch die christliche Kultur, seine eigene Kultur. Der Glaube, der Glaube der Kirche und des europäischen Volkes, der Glaube, der das heutige moderne Europa geprägt und ihm Form gegeben hat, ist nicht mehr Objekt der Wissenschaft und der Erkenntnis der neuen Generationen. Was man nicht kennt, das kann man auch nicht erfassen, man schätzt es nicht und verteidigt es daher auch nicht. Man bleibt ohne Kultur, ohne Prinzipien, ohne Suche nach Transzendenz. Aber wie uns der Herr am vergangenen Sonntag erinnert hat: Nicht nur vom Brot allein lebt der Mensch, sondern auch von jedem Wort aus dem Mund Gottes.
Wenn die Kirche heute als Mater et Magistra spricht (und zum Beispiel die Abtreibung, das Klonen, oder nicht-eheliche Beziehungen ablehnt), lassen sich immer mehr Stimmen vernehmen, die die Kirche im Namen der Freiheit kritisieren. Die Frage ist: Von welcher Freiheit ist hier die Rede? Jede Art von Freiheit kennt ihre Grenzen. Der Westen dürstet nach Religion. Der Islam kann vielleicht einen ersten Tropfen bringen. Aber er kann nicht die Erde Europas tränken. Im Islam gibt es keinen Platz für die Freiheit und Kreativität. Wenn man mit seiner eigenen Kultur gut vertraut ist, muß man sich damit auseinandersetzen. Man kann nicht einfach die Religion kritisieren und so tun, als ob nichts geschehen wäre, ohne sich damit auseinanderzusetzen.
Die christliche Welt muß ihre Quellen wieder neu entdecken und darin ihr eigenes Gesicht erfrischen. Die sprudelnde Quelle wird den Christen einen neuen Elan wiedergeben. Nur so werden sie fähig sein, andere zu bestärken und ihren Glauben weiterzugeben. Die Zukunft ist Freiheit, sie ist Liebe. Nur jene Menschen können die wahre Freiheit genießen, die auch die weltweite Kraft der Liebe erfassen. Diese zu erfassen kann nur mit Hilfe des Evangeliums erfahren werden: Christus ist der Weg, die Wahrheit und das Leben.
Sehr verehrte Damen und Ritter vom Heiligen Grab, es freut mich, diese kleinen Betrachtungen mit den Worten des Heiligen Vaters, Papst Benedikt XVI. zu krönen: Jesus identifiziert sich mit den Notleidenden: den Hungernden, den Dürstenden, den Fremden, den Nackten, den Kranken, denen im Gefängnis." ( Deus Caritas est, 15) Diese Notleidenden und Fremden sind die neuen Gäste, die wir Immigranten nennen: Sie haben auch das Recht darauf, von Christus zu erfahren, wenn wir ihnen begegnen. In Geringsten, - sagt der Papst -, begegnen wir Jesus selbst, und in Jesus begegnen wir Gott."
Die Damen und Ritter des Ordens vom Heiligen Grab haben sich als ihr oberstes Gebot und erstes Charisma zu Herzen genommen, Jesus in seiner Heimat zu verehren und sein Gab zu verteidigen. Daher kann ihre Liebe für diese Notleidenden nicht unaktiv bleiben. Sagt Jesus nicht: Alles was ihr für einen dieser Kleinen getan habt, das habt ihr mir getan"? Das Grab Christi in Jerusalem ist leer, weil Christus in den Herzen der Menschen leben will. Lassen wir die Herzen unserer neuen Gäste nicht in Stich, gewinnen wir sie lieber für Christus. Lassen wir nicht zu, daß unsere Kirchen und Tabernakel leer bleiben und sich vergeblich nach Besuchern und nach der Liebe sehnen. Danke!